Van Müüs un Minschen

Schauspiel von John Steinbeck
Niederdeutsch von Walter A. Kreye

Regie: Albrecht C. Dennhardt
Premiere: 11.2.01

Hinni
- Rolf-Peter Lauxtermann
Schorsch
- Thorsten Könnecke
Alt-Bauer
- Klaus Aden
Kalli,
sein Sohn - Marc Gelhart
Krischan
- Günter Boye
Garms
- Heinz Zomerland
Kallsen
- Harald Schmidt
Witte
- Karl Zacher
"Waterpollak" Josef
- Horst Jönck
Kallis Frau
- Elke Theesfeld


WILHELMSHAVENER ZEITUNG vom 13. Februar 2001

Steinbecks Klassiker überzeugend gespielt

Niederdeutsche Bühne begeisterte Premierenpublikum mit "Van Müüs un Minschen"

von Inga Hellwig

Bei der Niederdeutschen Bühne müssen sich nicht immer die Balken vor Lachen biegen, damit sie überzeugt. Ganz im Gegenteil: Mit ihrer Premiere der niederdeutschen Fassung des John Steinbeck-Klassikers, "Van Müüs un Minschen", am Sonntagabend im Stadttheater bewies das Ensemble, dass es das ernste Genre und die damit geforderte schauspielerische Leistung hervorragend bewältigt.

Das aus dem Amerikanischen von Walter A. Kreye ins Niederdeutsche transponierte Stück hält sich vollständig an die Romanvorlage. Das Geschehen dreht sich um zwei zentrale Charaktere: Hinni (Rolf-Peter Lauxtermann) und Schorsch (Thorsten Könneke). Hinni ist ein Mensch mit der Stärke von zwei Männern und dem Verstand eines kleinen Kindes sehr naiv und unbedarft, aber freundlich. Seine ganze Welt kreist um Schorsch, der ihn durchs Leben führt und ihn beschützt wie einen kleinen Bruder, wenn ihn seine übermenschliche Kraft und sein Kindsgemüt mal wieder in Schwierigkeiten bringen.

Die beiden Männer ziehen als Erntehelfer von Hof zu Hof. Auf dem neuen Hof von Bauer Kalli (Marc Gelhart) und dessen Vater (Klaus Aden), auf dem sich die beiden zu Beginn des Stückes verpflichten, kommen sie mit den anderen Landarbeitern Krischan (Günter Boye), Garms (Heinz Zomerland), Kallsen (Harald Schmidt), Witte (Karl Zacher) und Josef (Horst Jönck) gut klar. Trottzdem führt Hinnis Schwachsinn und seine Vorliebe, alles Weiche zu streicheln und dann doch in seinen Riesenfäusten zu zerdrücken, bei der Begegnung mit Kallis Frau (Elke Theesfeld) zu einem unausweichlichen, tragischen Ende.

Unter der Regie von Gastregisseur Albrecht C. Dennhardt vermittelten die beiden Hauptdarsteller im Zusammenspiel mit den anderen Protagonisten perfekt die trostlose und schicksalhafte Ausweglosigkeit, die Steinbeck in seiner krassen Naturalistik der Romanvorlage bezweckt. Ebenso genial wie Rolf-Peter Lauxtermann den debilen Hinni in physischer und psychischer Hinsicht figurierte, konnte Thorsten Könnecke das verzweifelte Anstemmen gegen das sich heraufbeschwörende Verhängnis darstellen - immer begleitet von der Grundmelodie eines - realistisch nicht zu verwirklichenden -Traums, von einem besseren Leben.

Im Publikum hätte man in den gesamten zwei Stunden eine Stecknadel fallen hören können, so ergriffen waren die Zuschauer von dem Geschehen vor dem außergewöhnlichen, mit großformatigen Diaprojektionen Klaus Schreibers dargestellten Bühnenbild.

Mit "Van Müüs und Minschen", bei dem das Ensemble deutlich die Ebene des Laienschaupiels verlassen hat, bewirbt sich die niederdeutsche Bühne für den Wil ly-Beutz-Schauspielpreis. Ergriffene Tränen im Publikum und nicht enden wollender Applaus lassen ahnen, dass zumindest dieser Traum schon bald Wirklichkeit werden könnte.

An der Aufführung wirkten im Hintergrund mit: Hintergrunddias: Klaus Schreiber, Souffleuse/Maske Margita Pust. Requisiten: Monika Eilers. Bühnenbau: Günter Scherf, Horst Vollbrecht. Bühnentechnik: Ole Baumgart, Günter Michaels, Günter Newerla, Björn Remstedt. Beleuchtung: Peter Pfaus, Uwe Freiberg. Technische Leitung: Manfred Eilers. Inspektion: Anke Schluppkotten.


JEVERSCHES WOCHENBLATT vom 14. Februar 2001

Lacher bleiben im Halse stecken

Niederdeutsche Bühne landet mit dem Schauspiel "Van Müüs un Minschen" einen Volltreffer

von Ernst Richter

Zwei Landarbeiter schlurfen durch die Gegend. Sind auf Arbeitssuche. Wandern sozusagen von Hof zu Hof. Der eine ist der Hinni, ist bärenstark und, von gewaltiger Statur. Der andere ist der Schorsch, kann kräftemäßig mit Hinni nicht konkurrieren, ist aber mit gewitztem Verstand ausgestattet, der bei Hinni etwas zu kurz gekommen ist. Am Priel legen sie zwischen Gebüsch und Strauchwerk eine Pause ein. Machen sich lang und dösen in der Sonne vor sich hin. Wie schön doch das Leben sein kann. Wenn da doch nicht der Hinni in seiner unberechenbaren Einfältigkeit immer wieder die Bauersleut mit dummen Streichen provozieren würde. Da, jetzt hat Hinni zum Beispiel eine tote Maus in der Rocktasche, die er voller Hingabe streichelt. Schorsch wird das zuviel, er greift sich den toten Nager und wirft ihn möglichst weit weg. Ja, so kann sich diese Szene irgendwo und alle Tage wieder abgespielt haben. Doch der Ort der Handlung ist das Stadttheater und die Premierenvorstellung des Schauspiels "Van Müüs un Minschen" der Niederdeutschen Bühne am Stadttheater Wilhelmshaven.

Der Autor John Steinbeck (1902 -1968) hat deutsch-irische Vorfahren und wurde in Salinas/Kalifornien geboren. Im Frühjahr 1937 kam der Roman "Von Mäusen und Menschen" heraus, den Walter A. Kreye ins Niederdeutsche übertrug. Albrecht C. Dennhardt hat als Regisseur diese balladenhafte Geschichte einer Männerfreundschaft für die Bühne eingerichtet. "Van Müüs un Minschen" ist ein Schauspiel mit tragischem Ausgang. Die Niederdeutsche Bühne will das Stück zum Willy-Beutz-Schauspielpreis des Niederdeutschen Bühnenbundes aufführen. "Van Müüs un Minschen" ist preisverdächtig. Hier ist der Niederdeutschen dank der einfühlsamen Regie von Albrecht C. Dennhardt mit der eindringlichen Zeichnung der Charaktere ein großer Wurf gelungen.

Nach der Vesperpause machen sich Hinni und Schorsch auf den Weg zum Bauern. Dort angekommen, begegnen sie der bäuerlichen Familie und den dort beschäftigten Landleuten. Gleich geht es mit den Streitereien los, obwohl Schorsch seinem Wegkompanen eingeschärft hatte, den Mund zu halten und die Arbeit zu tun. Hinni braucht wieder ein Tier, Maus, Kaninchen oder Hund, um Streicheleinheiten verteilen zu können. Manchmal fassen seine Hände zu fest zu. Dann ist das Tierchen tot, und Hinni wundert sich.

Beide träumen von einem schöneren Leben. Sie wollen einen kleinen Hof kaufen, selbst den Boden bewirtschaften und Kaninken pflegen, was Hinni besonders am Herzen liegt. Mitbewohner Krischan lässt sich von diesem Vorhaben anstecken und kratzt seine Ersparnisse zusammen. Doch es kommt ganz anders. Die angehende Bauersfrau ist ein bisschen mannstoll und macht sich an Hinni heran, der von seiner Lust zuzudrücken übermannt wird. Das Schauspiel endet tragisch, und das Publikum hält den Atem an.

Thorsten Könnecke spielt den Schorsch, der um Hinni jederzeit besorgt ist und aufpasst, dass er keine Dummheiten macht und sie wieder flüchten müssen. Rolf-Peter Lauxtermann glänzt in der Rolle des Hinni, spielt mit feiner Mimik und sicherem Auftritt diesen geistig behinderten Mensch, der eigentlich nur an das Gute im Leben glaubt und niemandem etwas zu Leid tun möchte. Günter Boye gelingt eine treffliche Darstellung des Zimmergenossen, Altknecht Krischan.

Dann erlebt das Publikum die bäuerliche Familie wie aus dem Leben gegriffen mit Klaus Aden als Altbauer, Marc Gelhart als streitsüchtiger Sohn Kalli und Elke Theesfeld als dessen Frau. Die weiteren Rollen gestalten Heinz Zomerland (Garms), Harald Schmidt (Kallsen) und Karl Zacher (Witte). Ein schauspielerisches Kabinettstückchen liefert Horst Jönck dialektisch als Wasserpole Josef ab.

Mit viel Phantasie und realistischen Hintergrunddias wird das verwandelbare Bühnenbild auf die Bretter gestellt, mal Treffpunkt am Priel, dann Logis in der Wohnbaracke, vor dem Bauernhaus und in der Hütte des einsamen Wasserpolen. Der Hintergrundprospekt wird jeweils szenisch ausgeleuchtet. Der Bühnenumbau erfolgt zwischen den Bildern, die balladenhaft vor dem Publikum ablaufen.

Albrecht C. Dennhardt ist als Regisseur der Glücksfall für diese Aufführung. Die Handlung fesselt für knapp zwei Stunden das Publikum, entwickelt tiefere Bedeutung selbst in Szenen, die oberflächlich belächelt werden könnten. Es ist für das Ensemble nicht immer leicht, eine ernste Schauspieltragödie zu bringen, wenn ein Teil des Publikums nur auf Lachen eingestellt ist. Das Wagnis gelingt, was auch mit anhaltendem Schlussbeifall zum Ausdruck gebracht wird.


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