Tippelbröder Kritiken WILHELMSHAVENER ZEITUNG vom 12. Oktober 2009 Die Gerechtigkeit ist unbezahlbar Die Geschichte ist keine platte Verwechslungskomödie. Sie zwingt den Zuschauer zum Nachdenken. WILHELMSHAVEN — „Dat Beste anne Sünn is de Schatten" seufzt Olle Krull (Arnold Preuß) zu Beginn des ersten Akts der neuen Tragikomödie „De Tippelbrüder" des Theaters am Meer unter der Regie von Nicolas Ducci. Er lässt sich zum 'Foftein maken' unter die Birke in der Bühnenmitte sinken. Der Satz beschreibt das Motto von Olle, der als „Tippelbroder" nicht gerade auf der Sonnenseite des Lebens steht, seinem Bruder Hermann (Walter Bleckwedel) aber genügend Schatten auf dessen Erfolg als Direktor der Papierfabrik von Rüstringen wirft. Kurz vor der Stadt treffen vier der Hauptpersonen zusammen. Olle, sein Begleiter auf der Landstraße Dirk Unbehaun (Marc Gelhart), die „Plünnen- un Knakenlü" Lise Slutup (Marion Zomerland) und Tochter Tine (Claudia Schröder). Während der arbeitslose Schlosser Dirk „de Dör achter sich toschlagen het" und wie einige in den 20er Jahren, wo das Stück angesiedelt ist, den Boden unter den Füßen verloren hat, teilen Olle, der seine Worte immer hervorragend mit Gestik unterstützt, und Lise ein Geheimnis, weshalb sie auf der Straße leben. Die Geschichte ist keine platte Verwechslungskomödie, sie zwingt den Zuschauer zum Nachdenken und endet auch nicht mit einer kitschigen Versöhnungsszene zwischen Olle und Bruder Hermann. Für den Tippelbroder ist Gold „bloß Schietkram, Geld nur as Fidibus för de Piep" nützlich. Lise, die 20 Jahre zuvor durch dessen Familie von Olle weggetrieben wurde, obwohl sie Tine von ihm erwartete, verlangt nichts weiter von Hermann, als dass er endlich Olles 'guten Charakter' anerkennt. Er hat seinen Bruder bisher auf Distanz gehalten, indem er Geldanweisungen, an weit entfernte Postämter schickte. Dirk bleibt derweil „an Tines Schörtenrock hangen", daneben tritt, als komische Figur neben all den ernsten Charakteren, der angegraute Aushilfsschlachter Harry Peper (Harald Schmidt) auf, der sich als einziger „Brögam" in die „Plünnenkaat" der Slutups wagt und sich bei der viel jüngeren Tine Chancen ausrechnet. Der aufbrausende Harry, von Dirk schnell mit einem Veilchen ausgestattet, versucht, Hermann zu erpressen, nachdem er von Lises offener Rechnung erfahren hat. „De olen Tieden sün inne Kuhle sackt" freut er sich über die zu melkende Kuh. Hermann soll zahlen, weil Lises Heirat mit Olle einen Skandal in Rüstringen heraufbeschwören würde. Was Geld angeht, bleibt Olle, der „kloge un verquere Kopp", bis zum Schluss standhaft. Er sorgt dafür, dass auch Harry mit einem blauen Auge davonkommt, und hilft dem jungen Glück seiner Tochter Tine mit Dirk auf die Sprünge. Langanhaltender Applaus war der Lohn der sechs Mimen, und Olles Mahnung, nicht „nach dem Kommando des Geldes" zu leben, ist ja auch in unserer Zeit vielleicht nicht ganz verkehrt. Wer die Tippelbrüder des Theaters am Meer erleben möchte, hat dazu an folgenden Tagen Gelegenheit: Am 18. Oktober um 15.30 Uhr und um 20 Uhr, am 1., 7. und 15. November um jeweils 20 Uhr, am 22. November um 15.30 Uhr und 20 Uhr sowie am 29. November um 17 Uhr in der Aula der Agnes-Mie.. gel-Schule, Warthestraße 10. Weitere Informationen gibt es im Internet unter: www.ndb-wilhelmhaven.de JEVERSCHES WOCHENBLATT vom 12. Oktober 2009 Die Geständnisse eines Olle Krull WILHELMSHAVEN - Der Vorhang öffnet sich und gibt dem Premierenpublikum auf der Stadttheaterbühne den Blick frei auf eine triste Landschaft. Das Publikum klatscht freudig in die Hände. Ein Birkenbaum am Wegesrand. Zwei Tippelbröder wollen auf dem Weg nach Rüstringen hier rasten. Dabei machen die beiden Landstreicher Olle Krull und sein junger Weggefährte Dirk Unbehaun die Bekanntschaft des reizenden Mädchens Tine, die dann auch seine Mutter Lise Slutup auf die Bühne bringt. Damit kann das Spiel „Tippelbrüder" als Wilhelmshavener Erstaufführung zur Eröffnung der Spielzeit 2009/2010 der Niederdeutschen Bühne „Theater am Meer" richtig losgehen. Es ist ein Stück van de Landstraat, geschrieben von Hans Balzer. Die Handlung führt das Publikum im zweiten Akt in die Wohnstube der Slutups. Lachsalven schallen nicht durch den Theaterraum, das Stück ist kein „Schenkelklopfer", sondern zeigt einen dramatisch zu nennenden Bruderzwist und einen Vater, der Gelegenheit bekommt, frühere Versäumnisse auszubügeln sowie eine Frau, die ihm dazu beide Arme entgegenhält. Natürlich schlägt auch die Liebe von Tine und Dirk zündende Funken. Und da erscheint als vermeintlicher Verlobter Tines der ehemalige Zirkusartist Harry Peper. Auch der wohlhabende Bruder Hermann des Landstreichers Olle Krull tritt befrackt in Lise Slutups Wohnküche. Es kommt zu knallharten Wortgefechten zwischen den Brüdern Olle und Hermann sowie zwischen Lise und Olle Krull, die mit spontanem Szenenbeifall des Publikum bedacht werden. Es geht um viel Geld, auf das Tippelbrüder Olle pfeift. Schließlich ringt er seinem Bruder, dem Fabrikdirektor, einen Arbeitsplatz für seinen Weggefährten Dirk ab. Und die das Publikum anrührende Vater-Tochter-Beziehung glättet sich, Olle Krull beichtet sein Leben. Doch immer wieder versucht Olle, den Rucksack zu schultern und wieder den Wanderstock in die Hand zu nehmen, um sich leise weinend von Lise und Tine aus der Geborgenheit eines Zuhauses aus dem Staub zu machen. Wird es ihm gelingen? Arnold Preuß verkörpert brillant die Charakterrolle des Tippelbröders Olle Krull, während leicht exaltiert Marc Gelhart den jungen Tippelpartner Dirk Unbehaun auf die Bühne bringt. Marion Zomerland ist die sorgende und immer noch in Olle Krull verliebte Lise Slutup, eine fein temperierte Darstellung. Tochter Tine Slutup wird von Claudia Schröder vehement mit spitzer Sprache burschikos interpretiert. Walter Bleckwedel gefällt in dem Part des generösen Fabrikdirektors Hermann Krull, dem Gegenpol seines das Geld verachtenden Tippelbröders Olle. Und Harald Schmidt, der ehemalige Zirkusartist, will nicht auf Tine verzichten, es kommt zur Prügelei mit Dirk, seinem Widersacher, die fantastisch aufregend in Szene gesetzt wird. Die Regie führt Nicolas C. Ducci. Die Handlung vor den beiden von Nicolas C. Ducci und Harald Schmidt entworfenen Bühnenbildern lässt keine Langeweile aufkommen. Das Publikum erlebt eine Familiendrama, wie es dein Leben abgelauscht sein könnte. Anhaltender Beifall und mehrere Vorhänge belohnen das Ensemble.
Die weiteren Aufführungen sind am 10. und 18. Oktober (15.30 und 20 Uhr) sowie am 1., 7., 15., 22. (15.30 und 20 Uhr) und am 29. November als letzte Vorstellung (17 Uhr) in der Agnes-Miegel-Schule. Der Besuch verspricht einen echten plattdeutschen Theaterabend ohne Klamauk und Firlefanz. Termine |