De plietsche Sniedermeister
Komödie von Hans Müller-Schlösser
Niederdeutsch von Günther Siegmund
Regie: Christa Margret Rieken
Bühnenbild: Christa Düx
Musik: Nicolas C. Ducci
Regieassistenz: Marc Gelhart
Premiere: 26.09.04
Anton Wibbel, Schneidermeister - Arnold Preuß
Fine, seine Frau - Marion Zomerland
Melfs, Geselle bei Wibbel - Thorsten Könnecke
Zimpel, Geselle bei Wibbel - Harald Schmidt
Pangdi, Nachbar von Wibbel - Walter Bleckwedel
Fitzke, Nachbar von Wibbel - Klaus Aden
Frau Fitzke, Nachbarin von Wibbel - Hanna Christoffers
Fläsch, Hausierer - Marc Gelhart
Knipperling, Wirt - Horst Karstens
Polizist - Nicolas C. Ducci
Inhalt
Schneidermeister Anton Wibbel veranstaltet ein Saufgelage mit seinen Nachbarn Pangdi und Fitzke, bei dem er aus Wut über Napoleon und seine Besatzungstruppen
lauthals über die Franzosen schimpft. Trotz der fortgeschrittenen Stunde klopft es mit einem Mal an der Tür. Die Angst der Trinkbrüder stellt sich als unnötig heraus -
es ist nur der Hausierer Fläsch, der noch Licht gesehen hat und nun eine Chance wittert, an der stimmungsgeladenen Runde teilzuhaben und vielleicht sogar nebenbei
ein paar Knöpfe und Hosenträger zu verkaufen.
Einen Chemisetteknopf kann er sogar noch an Pangdi verkaufen...
... doch die anderen sind noch weniger an Fläschs Waren interessiert - da hilft auch keine Philosophie.
Aber immerhin erreicht er durch seine eindringliche Art, dass ihm ein Schnaps eingeschenkt wird, und schon sitzt Fläsch in der geselligen Runde am Tisch.
Während der Alkohol weiter fließt, gerät Wibbel immer weiter in Rage in seinen Ausführungen über Napoleon.
Die lautstarke Truppe sorgt letztenendes dafür, dass Fine, Antons Frau, im Nachthemd um Ruhe bittet. Das Lamentieren des Schneidermeisters bringt nix -
besonders Fläsch ist der Frau des Hauses ein Dorn im Auge, so dass Wibbel ihn mit der Bitte um Verschwiegenheit nach draußen dirigiert.
Scheinbar vergebens, denn schon kurze Zeit später nach weiteren Schimpftiraden steht der Gastwirt Knipperling im Haus. Er macht Wibbel darauf aufmerksam, dass
zu Antons Ausfälligkeiten in seiner Kneipe "Zum Schwarzen Schwein" die versehentliche Berichterstattung des geschwätzigen und leicht angetrunkenen Hausierers gekommen sei und
nun die Polizei nebst Franzosen auf dem Weg zu Wibbels Haus seien. Die lassen in der Tat nicht lang auf sich warten - der Polizist bestellt ihn zum Gerichtstermin am nächsten Tag,
an dem Wibbel eine Haftstrafe von 4 Wochen aufgebrummt bekommt. Die will er aber aus Sorge um sein Geschäft ungern selbst absitzen, doch da kommt Fine eine rettende Idee:
Gemeinsam überreden sie den Gesellen Zimpel, als Wibbel in den Knast zu gehen. Der lässt sich auch auf das Geschäft ein. Anton Wibbel selbst fristet seine Zeit währenddessen
im heimischen Abstellkabuff unter der Treppe. Das funktioniert auch zwei Wochen lang ganz gut, doch dann überbringt der Polizist der Schneidergemahlin die Nachricht, dass ihr Mann verstorben sei.
Natürlich handelt es sich um den Gesellen Zimpel, doch Wibbel ist nun offiziell tot und kann so nicht mehr an die Öffentlichkeit treten. Tapfer muss Fine
sämtliche Beileidsbekundungen über sich ergehen lassen; auch Fläsch schaut zum Kondolieren vorbei.
Bei solchen traurigen Anlässen kann man eine Witwe doch nur mit nüchterner Philosophie trösten, oder?
Apropos nüchtern - gibt es zu solchen Anlässen nicht auch immer einen Trauerschluck? Ein kleiner Wink mit dem Zaunpfahl genügt, schließlich hat der Gatte, Gott hab ihn selig, dem Fläsch
auch bei jedem Besuch einen Schluck eingeschenkt.
Und gleich noch einen...
Da hätte Fläsch bei lauter Schluck doch fast das Geschäft vergessen! Wo doch schonmal die gesamte Nachbarschaft auf einem Haufen beisammensitzt, was liegt da näher als die Hosenträger an den Mann bringen zu wollen?
Dazu kommt es jedoch nicht mehr - die Kirchenglocken läuten, und bevor Fläsch die Beisetzung verpasst, verlässt er fluchtartig das Haus. Damit auch Anton Wibbel das Haus künftig mal wieder
verlassen kann, rasiert er sich Bart und Kopfhaar ab und streicht nachts durch die Gegend. Das sorgt dennoch für Aufsehen, und nachdem Polizei und Nachbarschaft doch zu gerne wissen möchten, wer denn nachts bei Wibbels noch in der
Trauerzeit immer ein- und ausgeht, stellt Fine ihren Mann den anderen als seinen eigenen jüngeren Bruder und künftigen Gemahl vor.
Der Stab der Produktion: Regieassistent und Fläsch - Marc Gelhart, Regisseurin Christa Margret Rieken und Bühnenbildnerin Christa Düx.
Kritiken
WILHELMSHAVENER ZEITUNG vom 28. September 2004
Schneider Wibbels Tod
und Auferstehung
THEATER Humorvolle Premiere der Niederdeutschen
Bühne im Stadttheater
VON INGA HELLWIG
WILHELMSHAVEN - Wohl kaum ein Schüler, der dem Schneider Wibbel nicht irgendwann
als Paradebeispiel des Volksstücks im Deutschunterricht begegnet
wäre - spätestens seit seiner Verfilmung mit Heinz Rühmann
in der Hauptrolle.
Mit diesem Volksstückklassiker von Hans Müller-Schlösser
in der Niederdeutschen Übersetzung von Günther Siegmund
als De plietsche Sniedermeister" begrüßt
die Niederdeutsche Bühne vielversprechend die neue Saison.
Doch nicht nur die Auswahl, auch die Umsetzung des Stoffes in
der Wilhelmshavener Regiepremiere von Christa Margret Rieken verspricht,
den Erfolg der vergangenen Saison, als die Niederdeutsche fast
30 Prozent mehr Zuschauer gewann, fortzusetzen.
Die Geschichte ist hinlänglich bekannt: Schneidermeister Anton Wibbel betrinkt
sich des Abends in einem Lokal und schimpft maßlos über
Napoleon und seine Truppen, was er schließlich mit vier
Wochen Gefängnis sühnen soll. Doch was soll in dieser
Zeit aus der Schneiderei werden? Wibbels Frau Fine hat die Idee,
Wibbel durch den Schneidergesellen Peter Zimpel im Gefängnis
vertreten zu lassen. Wibbel überredet Zimpel tatsächlich,
muss sich allerdings versteckt halten, als ihn plötzlich
die tragische Nachricht vom Tod Zimpels erreicht. Der echte Wibbel
erlebt daraufhin höchst gerührt seine eigene Beerdigung
und einige andere Verwicklungen bis hin zu seiner Auferstehung
als sein eigener jüngerer Bruder.
Trotz oder vielleicht gerade wegen der fast übermächtigen Vorbilder aus Kino
und Theater: Arnold Preuß als betrunken mutiger, aber nüchtern
stets jammernder Schneidermeister Wibbel, Marion Zomerland als
gerissene Fine Wibbel und Thorsten Könnecke als auf die gut
laufende Schneiderei und deren Witwe" erpichter Geselle Melfs zauberten die bekannten
Charaktere der drei Hauptrollen überzeugend, schwungvoll
und in einer ganz eigenen Interpretation auf die Bretter.
Im Zusammenspiel mit
den drei Hauptakteuren komplettieren die zukünftige Leiche,
Geselle Zimpel (Harald Schmidt), sowie die Nachbarn Prangdi (Walter
Bleckwedel), Herr und Frau Fitzke (Klaus Aden und Hanna Christoffers),
der Wirt Knipperling (Horst Kassens), der Hausierer Fläsch
(Marc Gelhart) und Nicolas C. Ducci als Polizist das dramatische
Kuddelmuddel rund um den eigentlich gar nicht so plietschen
Sniedermeister". Spritzige Dialoge und witzige, treffsichere
Situationen sorgten vor einem gelungenen Bühnenbild und in
sehr aufwändigen Kostümen für viel Gelächter.
Sie wirkten hinter
den Kulissen mit
Requisite: Marianne Karstens; Bühnenbild: Christa Düx;
Maske: Patricia Ens, Margita Pust; Kostümbetreuung: Helga
Lauermann, Souffleuse: Sandra Krüger; Bühnenbau: Wolfgang
Buttjer, Heinz Fuchs; Bühnenmalerei: Herbert Ulbrich; Bühnentechnik:
Wolfgang Buttjer, Werner Dörnath, Manfred Eilers, Gerd Gelhart,
Markus Lomertin, Christian Strowik; Technische Leitung: Werner
Dörnath Manfred Eilers; Inspizienz: Anne Hillers; Regieassistenz:
Marc Gelhart; Musik: Nicolas C. Ducci.
JEVERSCHES WOCHENBLATT vom 28. September 2004
Zum Saisonauftakt einen
Volltreffer gelandet
Niederdeutsche Bühne hatte Premiere mit
De plietsche Sniedermeister"
VON ERNST RICHTER
WILHELMSHAVEN
- Mit der Premiere De plietsche Sniedermeister"
landete die Niederdeutsche Bühne - Theater am Meer am Sonntag
zur Saisoneröffnung einen Volltreffer.
Den Lustspiel-Klassiker
Schneider Wibbel" von Hans Müller-Schlösser
hat Günther Siegmund für das Niederdeutsche Theater
bearbeitet. Und die Berufsregisseurin Christa Margret Rieke, seit
2001 Regisseurin, Dramaturgin und Autorin am Bremer WaldauTheater,
richtete das Stück für die Wilhelmshavener Bühne
ein. Ihr Können, die publikumswirksamen Akzente zu setzen,
dramatischen Humor leichtfüßig ins Spiel zu bringen
und keine überflüssigen Längen zuzulassen, wurden
von dem Ensemble mit engagierter Spielfreude belohnt, so dass
dem Publikum eine facettenreiche Komödie geboten wird, die
in keine Phase zu einem Schwank abzugleiten drohte.
Zu dem BänkelsongGloria
Viktoria" öffnet sich der Vorhang und gibt den Blick
frei in Meister Wibbels Schneiderei, wo kräftig Korn eingefahren
wird. Dreh- und Angelpunkt der Handlung sind Schneidermeister
Anton Wibbel mit Frau Fine, der in angetrunkenem Zustand seine
Zunge nicht zügeln kann und während der französischen
Besatzung (19. Jahrhundert) gegen Napoleon wetterte, obwohl seine
Frau Fine und gute Nachbarsleute versuchten, seinen Redeaschwall
aufzuhalten. Vergeblich. Die Schwadronade wurde der Obrigkeit
hinterbracht, und Schneider Wibbel sollte wegen Majestätsbeleidigung
vier Wochen eingelocht werden - wenn da nicht Fine Wibbel eine
rettende Idee gehabt hätte.
Arnold Preuß
und Marion Zomerland beherrschen als Anton und Fine Wibbel die
Szene, bringen amüsante Pointen und fein getimte Charakterstudien
von himmelhoch jauchzend bis zu Tode betrübt. SagtAnton:
Nee, nee, nee, keen Minsch sitt dar so leeg an as ik - ik
glööv, dat ik mi noch ophangen do". Kontert Fine:
Ulenspeegel!" Aber auch die weiteren Personen der Handlung
lassen nichts anbrennen. Da sind die beiden Schneidergesellen
Melfs und Zimpel zu nennen, die von Thorsten Könnecke und
Harald Schmidt treffsicher wie aus dem Bilderbuch dargestellt
werden.
Temperamentvoll agiert
Marc Gelhart als Hausierer Fläsch mit seinem Kurzwaren-Bauchladen.
Gewitzt gestaltet Horst Karstens seinen Part als Kneipenwirt Knipperling
des Lokals Zum schwarzen Schein". Walter Bleckwedel,
Klaus Aden und Hanna Christoffers verstehen es ausgezeichnet,
die scheinheilig trauernde Anteilnahme am Geschick der Fine Wibbel
als gute Nachbarsleute Pangdi sowie Herr und Frau Fitzke darzustellen.
Das passt in die Szene wie auch in das tägliche Alltagsgeschehen.
Bleibt noch Nicolas C. Ducci zu nennen, der einen strammen Polizisten
mit Herz darstellt und auch die Musik eingespielt hat. Mit anhaltendem
Beifall wird das Ensemble vom Premierenpublikum verabschiedet.
Einen Sonderapplaus
verdient Christa Düx für das von ihr geschaffene Bühnenbild
mit einer perfekt eingerichteten Schneiderstube, einschließlich
Kammer undTreppe zur zweiten Spielebene. Das passt und bildet
mit den Kostümen, zusammengestellt von Helga Lauermann, ein
ausgewogenes Szenarium für De plietsche Sniedermeister".
Patricia Ens und Magita Pust haben als Maskenbildnerinnen gute
Arbeit geleistet. Das Zuschauen bereitet unheimlich Spaß.
zurück
|