Dat kann jedeen passeern Kritiken WILHELMSHAVENER ZEITUNG vom 06. Oktober 2008 Eine bürgerliche Katastrophe Dem Premierenpublikum gefiel die mit viel schwarzem Humor gewürzte Komödie. Den Akteuren wurde einiges abverlangt. WILHELMSHAVEN - Ein Cooney brachte mit turbulenten Komödien und Farcen schon so manche Bühne ins Wanken. Zwei Cooney's kamen Regisseur Arnold Preuß da gerade recht, um mit "Dat kann jedeen passern" (Originaltitel: Tom, Dick und Harry") die neue Spielzeit der Niederdeutschen Bühne spielfreudig zu eröffnen. Was Ray Cooney und Sohn Michael aus London gemeinsam erdachten, setzte er mit Handlungsort Wilhelmshaven ins Niederdeutsche um. Heraus kam eine sich durch unzählige Notlügen zwangsweise entwickelnde bürgerliche Katastrophe, die dem Premierenpublikum gefiel und nachhaltig beklatscht wurde. Linda Gerwald (Martina Hofmann) und ihr Mann Tom (Thorsten Könnecke) erwarten Frau Puttfarken (Roswitha Wunderlich) von der Adoptionsagentur zum entscheidenden Gespräch vor der Adoption eines Kindes. Da kommen Toms Brüder Dick (Jens-Uwe Jensen) und Harry (Marc Gelhart) ins Spiel, die die gut arrangierte heile Welt des Hauses beeinträchtigen. Dick hat — ohne Führerschein und mit Harrys Auto — gerade 400 000 Zigaretten und mengenweise Whisky aus Amsterdam geschmuggelt und kann sich "gor nich vorstelln, dat sowat scheef gohn kunnt". Unbemerkt "importierte" er dabei noch die Asylantin Katerina (Gabriele Manke) und ihren Trompete blasenden Großvater Andreas (Walter Bleckwehl) aus dem Kosovo. Nicht weniger problematisch, was Bruder Harry per Müllsack ins Haus bringt und im Garten vergraben will: Leichenteile aus einem Krankenhaus sollen dort gefunden werden und den Kaufpreis des Hauses senken. Als dann noch die Polizeiwachtmeisterin Dorn (Sandra Krüger) überraschend anklopft, wird das Verwirrspiel perfekt, und mit immer neuen Notlügen sucht Tom, der für alles eine Erklärung hat, die Situation zu kitten. Haarsträubende Geschichte: Die Autoren lassen die Zuschauer nicht zur Besinnung kommen Alles geht schief: Die Entsorgung auf der Mülldeponie, in der Altkleidersammlung, im Krematorium und in der Schlafcouch. Lidl- und Aldi-Tüten werden verwechselt, und schließlich liegen die Leichenteile (Leffers-Schaufensterpuppen) allen zu Füßen. Selbst Katerinas Mami in Heppens, die soeben als "dood bleuen" betrauert wurde, meldet sich zur Überraschung am Telefon. "Lügenbaron" Tom hechelt über die Bühne, sperrt hier und da jemand hinter einer der fünf Türen weg, Frau Puttfarken protestiert per "Stinkefinger" und der Ganove Boris (Harald Schmidt) macht als Messerstecher das Durcheinander perfekt. Alles in allem eine haarsträubende Schwindelgeschichte mit schwarzem englischen Humor, die — so wollen es die Autoren — den Zuschauer nicht zur Besinnung kommen lässt. Doch Komödien haben stets ein glückliches Ende, und der Lügenberg stürzt irgendwann in sich zusammen. Regisseur Arnold Preuß fordert von den Protagonisten eine große Leistung und hat bis auf ein, zwei Ausnahmen die Rollen gut besetzt. Dem meisten Beifall heimsten die Hauptdarsteller mit Thorsten Könnecke an der Spitze ein. Kleine Ungereimtheiten in der Handlung reimten sich manche Besucher erst auf dem Heimweg zusammen. Ob das Geschehen auf der Bühne wirklich jedem passieren kann, blieb unbeantwortet. Weitere Aufführungen folgen am 12., 19. und 26. Oktober sowie am 9., 23. und 30. November im Stadttheater. JEVERSCHES WOCHENBLATT vom 07. Oktober 2008 Ein Lügenturm kurz vor dem Einsturz VON ERNST RICHTER WILHELMSHAVEN - Lindi, Uschi, Hans und Franz schnacken Plattdeutsch, sind Fans der Niederdeutschen Bühne "Theater am Meer" und schon ganz jipprig auf die Komödie "Dat kann jedeen passeern", die am vergangenen Sonnabend Premiere im Stadttheater hatte. "Eine Boulevard-Komödie" witzelt Hans, denkt ans Rotlicht-Milieu und blinzelt Freund Franz zu. Der winkt ab: "Denkste, das ist eine Erstaufführung, die Arnold Preuß aus dem Englischen platt verdeutscht hat, und der hat mit Porno und so nichts im Sinn," Warten wir's ab, meinen die Damen und steuern dem Stadttheater entgegen. Das Premieren-Publikum füllt den Theatersaal. Es herrscht eine erwartungsgespannte Atmosphäre vor dem Vorhang, und leichtes Lampenfieber dahinter. Ray Cooney und Sohn Michael haben das Stück geschrieben und mit britisch-schwarzem Humor gewürzt. Ob es Arnold Preuß als Übersetzer und Regisseur gelingen wird, diesen vordergründig-witzigen Slang ins Plattdeutsche zu übertragen? Hier geht es um Lügengeflechte, die nicht nur von den Darstellern entwirrt werden, sondern auch das Publikum zu geistiger Mitarbeit animieren sollen. Den Handlungsablauf, der sich in der guten Wohnstube der Gerwalds abspielt, ist unbeschreiblich turbulent. Linda und ihr Mann Tom wollen ein Baby adoptieren. Doch es kommt anders als gedacht. Zum Vergnügen des Publikums, das die Handlung mit Lachsalven begleitet, treiben Toms Brüder Dick und Harry ihr Unwesen. Es geht um Zigaretten- und Schnapsschmuggel, und um Hany, der im Kühlhaus eines Krankenhauses arbeitet und einen Plastiksack voll amputierter Körperteile in die gute Stube schleppt. Das makabre Wirrwarr ergötzt die Zuschauer, die Schlag auf Schlag von einer Situation in die andere gerissen werden. Da taucht das Mädchen Katerina mit ihrem Trompete blasenden Opa auf, illegale Einwanderer aus Osteuropa. Eine Polizeiwachtmeisterin will für Ordnung sorgen. Da erscheint zu allein Unglück auch noch eine Frau der Adoptionsagentur. Es geht im wahrsten Wort alles drunter wie drüber und mit der Schiebkarre hin und her. Schließlich vervollständigt der Ganove Boris das sich völlig verausgabende Ensemble. Es ist halt schwer, englische Pointen plattdeutsch aufzuführen, da hilft auch kein Shakespeare mit "Titus Andronicus". Das Publikum feierte das Ensemble, das darstellerisch eine tolle Figur machte und sich bei den langen und vielfältigen Textpassagen auch kaum verhaspelte. Es wirken mit: Martina Hofmann als drahtige und gewandte Ehefrau Linda Gerwald; Thorsten Könnecke als redegewaltiger und quicklebendig agierender Ehemann Tom; Jens-Uwe Jensen als "Lügenbaron" und nie um eine Ausrede verlegener Bruder Dick; Marc Gelhart als ein etwas zu überdrehter Bruder Harry mit Turboantrieb, Gabriele Manke verleiht denn Mädchen Katerina eine mitfühlende Gestalt; Walter Bleckwedel spielt mit Routine die Gestalt des tropetenden Großvaters; Sandra Krüger lässt als Polizeiwachtmeisterin nichts anbrennen; Roswitha Wunderlich gestaltet mit weicher Stimme die zu respektierende Frau Puttfarken der Adoptionsagentur; und schließlich verkörpert Harald Schmidt einen Ganoven namens Boris. Weitere Aufführungen sind am 12. Oktober (15.30 und 20 Uhr), 19. Oktober (20 Uhr), 26. Oktober (15.30 und 20 Uhr), 9. November (20 Uhr), 23. November (17 Uhr in der Agnes-Miegel-Schule) und 30. November (20 Uhr). Termine |