Der Vorname

Komödie von Matthieu Delaporte und Alexandre de La Patellière
Regie: Kay Kruppa
Premiere: 13.02.2025 (Voraufführung 12.02.2025)

Michael Gerlach,
Literaturprofessor - Kay Kruppa
Susanne Gerlach-Laue,
seine Frau - Michaela Schaffrath
Thomas Laue,
Susannes Bruder - Marco Linke
Anna Kaufmann,
Thomas' Lebensgefährtin - Vera Gobetz
Jerome Prinz,
Posaunist im Rundfunkorchester - Marc Gelhart

Kritiken

WESER-KURIER vom 15. Februar 2025

Provokante Namenswahl sorgt für Lacher

VON SEBASTIAN LOSKANT

Bremen.
Ein Familienabend läuft aus dem Ruder: In der Komödie "Der Vorname" kündigt ein werdender Vater an, er werde seinen Sohn Adolf nennen. Na, das wird ein lustiger Abend im Boulevardtheater Bremen.

Es geht doch nichts über einen zünftigen Familienkrach, und wenn die Dialoge so hübsch gepfeffert ausfallen wie in der Gesellschaftskomödie "Der Vorname" der Franzosen Matthieu Delaporte und Alexandre de la Patellière, ist der Zwist in der guten Stube doppelt reizvoll. Entsprechend lief das Stück seit seinem Erscheinen 2010 auf vielen deutschen Bühnen, Sönke Wortmanns Verfilmung von 2018 hat es noch populärer gemacht.

Auch das Boulevardtheater Bremen segelt mit der Inszenierung seines Intendanten Kay Kruppa voll ins Glück. Nach knapp zwei Stunden applaudierte das bestens unterhaltene Premierenpublikum am Donnerstag stehend.

Die Handlung: Es braucht nur eine kleine Provokation, schon läuft der gemütliche Abend bei Michael Gerlach, Professor für neuere deutsche Literatur an der Uni Bremen, und seiner Frau Susanne, Deutschlehrerin am Hermann-Böse-Gymnasium, aus dem Ruder. Susannes Bruder Thomas, stinkreicher Immobilienmakler und begnadeter Selbstdarsteller, verrät, während man noch auf seine schwangere Frau Anna wartet, wie der Junge heißen soll: Adolf.

Wie Hitler? Die Runde, zu der sich noch Susannes und Thomas’ Kinderfreund Jerome, erster Posaunist der Bremer Philharmoniker, gesellt, ist begreiflicherweise entsetzt. Zwar kriegt Jerome ziemlich schnell spitz, dass das alles ein makabrer Scherz war, inspiriert durch ein zufällig im Regal liegendes Buch. Doch als sich auch die dazustoßende Anna wenig amüsiert zeigt und über all dem Susannes Schweinelendchen nicht mediterran, sondern verkohlt aus dem Ofen kommen, wird das Wortgefecht noch giftiger. Werden die Namen der Gerlach-Kinder – Antigone und Caius – bespöttelt, wird dem Single Jerome sein Spitzname offenbart ("Die Prinzessin") und seine vermutete sexuelle Orientierung diskutiert.

Der Trick des Stücks besteht darin, dass über dem scheinbaren Skandal um einen Vornamen grundsätzliche Fragen und tiefere Wahrheiten hochkochen: Thomas’ Narzissmus, Michaels Geiz, die Rollen der Frauen. Susanne etwa hat für Bruder und Mann stets ihre Interessen und ihre Karriere zurückgestellt, Jerome pflegt schon seit Jahren eine innige Beziehung zur 30 Jahre älteren Renate, der Mutter der Geschwister, wovon aber nur Anna weiß. Der Höhepunkt ist erreicht, wenn Thomas entsetzt ruft: "Der schläft mit Mama!"

Die Inszenierung: Qualm in der Küche gibt es in diesem Stück vor allem verbal. Entsprechend kleiden Lisa Dittus und Thomas Haack die breite Bühne praktikabel mit einem gediegenen, offenen Wohnzimmer aus, das zwischen dem Muff altdeutscher Regalschränke, braun wie Michaels Cordhose, samt Bertelsmann-Lexikon und moderner freier Sofaecke und Fotokunst vermittelt. Schaukelten sich die Konflikte im Film erst allmählich hoch, so schlägt Regisseur Kay Kruppa, der auch den Michael spielt, schnell einen erregteren Ton an. Eine leichte Hysterie prägt die knapp zwei Stunden.

Die Besetzung: Dafür hat Marco Linke als Hansdampf Thomas, der den Abend auch als Erzähler einfasst, die dankbarste Rolle; er erinnert in seiner Quirligkeit an den Komiker Ralf Schmitz. Immer noch eine Pointe drauf, immer eine Grimasse dazu, bis ihn alle nachäffen. Kruppa und Michaela Schaffrath als Michael und Susanne wirken daneben womöglich eine Spur zu bieder. Kruppa vermittelt wenig von der bildungsbürgerlichen Hochnäsigkeit, die Christoph Maria Herbst im Film so unwiderstehlich machte, Schaffrath wirkt mit der Schürze etwas zu sehr im Hausmütterchen-Klischee gefangen. Auch neigen beide schnell dazu, in der hohen Oktave zu sprechen, bis sich ihre Stimmen fast überschlagen. Aber auch sie haben ihre großen Momente: Wie etwa Schaffrath erst den Herren die Meinung geigt und dann abrauscht, ist allen Szenenapplaus wert.

Anna und der noch vom Konzert befrackte Jerome kommen stückbedingt erst nach der Pause richtig zum Zug. Aber wie sich Vera Gobetz in den Zorn auf den Vater ihres Kindes hineinsteigert, wie Marc Gelhart – ein schöner Kontrast – ganz ruhig seine Liebe verteidigt (und sich standhaft eine blutige Nase holt), das hat Format.

Fazit: Sinn für gut gesetzte Pointen haben sie eh alle, man schaut dem Bröckeln der Fassaden – wer muss sich jetzt bei wem entschuldigen? – mit Genuss zu. Und ist dankbar für den eigenen braven Vornamen.

Info: Weitere Vorstellungen bis 23. März immer freitags und sonnabends um 19.30 Uhr sowie sonntags um 15 Uhr, außerdem am 12., 13., 19. und 20. März um 19.30 Uhr.


KREISZEITUNG vom 17. Februar 2025

Die Provokation

„Der Vorname“ am Boulevardtheater Bremen

VON THOMAS KUZAJ

Wie weit dürfen wir gehen, was dürfen wir sagen? Fragen, die in der französischen Gesellschaftskomödie „Der Vorname“ („Le Prénom“) von Matthieu Delaporte und Alexandre de La Patellière durch eine schlichte, aber höchst wirkungsvolle Provokation aufgeworfen werden: Ein werdender Vater erzählt in trauter Runde, er (und seine Frau) werden ihrem Baby den Vornamen Adolf geben.

Bremen – Ab da ist nichts mehr wie zuvor. Peu à peu fallen die Masken, diplomatische Zurückhaltung: perdu! „Der Vorname“ hat jetzt seine Premiere am Boulevardtheater Bremen im Tabakquartier (Woltmershausen) gefeiert. Zu sehen gibt es hier eine sozusagen eingebremerte Fassung, die in einem durch und durch hansestädtischen Bildungsbürger-Haushalt spielt (Bühne: Lisa Dittus; Kostüme: Anika Töbelmann).

Ein schön gemütlicher Abend sollte es eigentlich werden im Haus des Literaturprofessors Michael Gerlach (mit so schnöseligem wie pedantischem Bildungsdünkel: Intendant Kay Kruppa, der auch Regie führt) und seiner Frau Susanne (Michaela Schaffrath). Nur Freunde und Familie sind zu Gast: Susannes Bruder Thomas (Marco Linke) mit seiner schwangeren Frau Anna (Vera Gobetz), dazu noch Jerome Prinz (Marc Gelhart, der sich als Jerome wunderbar zu winden versteht), Orchester-Posaunist und enger Freund seit Kindertagen.

Dann aber haut Thomas – Linke dreht richtig auf und verleiht ihm die fast mit Händen greifbare Mega-Eitelkeit eines puren Selbstdarstellers – die Sache mit dem Vornamen Adolf raus. Michael, Jerome und Susanne können es zwar nicht fassen, glauben ihm aber doch. Was für ein Tabubruch! Und so nimmt die Sache ihren Lauf. Das Treffen gerät vollkommen aus den Fugen; Thomas entgleitet die Kontrolle über seinen provokanten Scherz.

Zu spät, nun ist nichts mehr aufzuhalten. Über Jahre mühsam aufgebaute Fassaden stürzen ein; jede und jeder erfährt mal von den anderen, was wirklich über sie beziehungsweise ihn so gedacht wird. Das tut oft weh. Und dann kommt auch noch eine Beziehung ans Licht, die Thomas geradezu körperlichen Schmerz bereitet. Es ist also wie bei einer Familienfeier, die nicht rechtzeitig beendet wurde. Man kennt sowas, nur vielleicht nicht so extrem; manche Reaktionen im Publikum lassen es erahnen. Hier geht es auch um Wahrheiten, die jenseits der Theaterbühne liegen.

Die Inszenierung braucht ein paar Momente, um auf Betriebstemperatur zu kommen; das mag sich in den Vorstellungen nach der Premiere aber einspielen. Spätestens, nachdem die schwangere Anna hinzugekommen ist, die von der Provokation ihres Mannes noch nichts weiß, gibt eine klassisch komödientypische Verwechslungsnummer der Sache zusätzlich Zucker. Jetzt ist richtig Schwung drin, das ist gut, denn das Ensemble spielt auch gegen gleich zwei bekannte Verfilmungen des Stoffs an (Frankreich 2012 und Deutschland 2018 – von Sönke Wortmann).

Unter der Oberfläche all der Demaskierung und Schreierei auf der Bühne im Bremer Tabakquartier wird auf subtile Weise aber noch eine weitere Geschichte erzählt. Es ist die Geschichte der Frauen, die sich in unmissverständlicher Bitterkeit entfaltet: Anna und Susanne leiden sehr unter ihren selbstvergessen selbstdarstellerischen Männern. Dieser Aspekt deutet Dramen an, wie sie sich unter vielen Dächern abspielen.

Vera Gobetz und Michaela Schaffrath zeigen die Verzweiflung darüber in diesem Kammerspiel fast beiläufig, eher am Rande, abseits des etwas omnipräsenten großen Geschreis. Es ist eine Verzweiflung, die aus kleinen Gesten und Blicken spricht. Gobetz und Schaffrath machen gerade dies sehr, sehr gut. Und so sind die leisen Momente an diesem Abend zuweilen die lautesten.

Die nächsten Vorstellungen: Freitag, 21. Februar, 19.30 Uhr; Sonnabend, 22. Februar, 19.30 Uhr; Sonntag, 23. Februar, 15 Uhr. Termine bis 23. März.


WESER-REPORT vom 22. Februar 2025

KURZKRITIK Der Vorname

Dass er mit der Idee, sein Kind Adolf nennen zu wollen, eine Menge Diskussionen auslöst, ist Thomas klar. Doch er ahnt nicht, welche Dimensionen seine fixe Idee annimmt... Nach der französischen Buch-vorlage und dem deutschen Kinofilm bringt nun das Boulevardtheater das Kammerspiel „Der Vorname“ auf die Bühne. Die insgesamt gelungene Inszenierung ist gebettet in eine Rahmenhandlung, die die Zuschauer ab Sekunde eins abholt und mitten in die Geschichte katapultiert. Es geht schnell hoch her, Wortduelle eskalieren im Minutentakt. Dabei wird sehr viel geschrien, mitunter etwas zu viel.

Wer den Film – unter anderem mit Christoph Maria Herbst – erst vor Kurzem gesehen hat, dem könnten (wie mir) die leisen, ironischen Momente in der Bühnenfassung ein wenig fehlen, die mehr Tiefe in die zwischenmenschlichen Befindlichkeiten bringen. Im Theater am Tabakquartier wird vor allem auf handfeste, boulevardeske Komik gesetzt.

Fazit: Ein kurzweiliges Vergnügen mit jeder Menge bremenbezogener Anspielungen und einem Cast, der sichtlich Spaß hat. Bettina Meister


Termine

01. Mittwoch, 12.02.2025, 19.30 Uhr, Boulevardtheater Bremen - Voraufführung
02. Donnerstag, 13.02.2025, 19.30 Uhr, Boulevardtheater Bremen
03. Freitag, 14.02.2025, 19.30 Uhr, Boulevardtheater Bremen
04. Samstag, 15.02.2025, 19.30 Uhr, Boulevardtheater Bremen
05. Sonntag, 16.02.2025, 15.00 Uhr, Boulevardtheater Bremen
06. Freitag, 21.02.2025, 19.30 Uhr, Boulevardtheater Bremen
07. Samstag, 22.02.2025, 19.30 Uhr, Boulevardtheater Bremen
08. Sonntag, 23.02.2025, 15.00 Uhr, Boulevardtheater Bremen
09. Freitag, 28.02.2025, 19.30 Uhr, Boulevardtheater Bremen

10. Samstag, 01.03.2025, 19.30 Uhr, Boulevardtheater Bremen
11. Sonntag, 02.03.2025, 15.00 Uhr, Boulevardtheater Bremen
12. Freitag, 07.03.2025, 19.30 Uhr, Boulevardtheater Bremen
13. Samstag, 08.03.2025, 19.30 Uhr, Boulevardtheater Bremen
14. Sonntag, 09.03.2025, 15.00 Uhr, Boulevardtheater Bremen
15. Mittwoch, 12.03.2025, 19.30 Uhr, Boulevardtheater Bremen
16. Donnerstag, 13.03.2025, 19.30 Uhr, Boulevardtheater Bremen
17. Freitag, 14.03.2025, 19.30 Uhr, Boulevardtheater Bremen
18. Samstag, 15.03.2025, 19.30 Uhr, Boulevardtheater Bremen
19. Sonntag, 16.03.2025, 15.00 Uhr, Boulevardtheater Bremen
20. Mittwoch, 19.03.2025, 19.30 Uhr, Boulevardtheater Bremen
21. Donnerstag, 20.03.2025, 19.30 Uhr, Boulevardtheater Bremen
22. Freitag, 21.03.2025, 19.30 Uhr, Boulevardtheater Bremen
23. Samstag, 22.03.2025, 16.30 Uhr, Boulevardtheater Bremen
24. Samstag, 22.03.2025, 19.30 Uhr, Boulevardtheater Bremen
25. Sonntag, 23.03.2025, 15.00 Uhr, Boulevardtheater Bremen


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